Trinkgeld / Tip ?!

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Donnerstag, 20. Dezember 2018

Ein Radiointerview zum Künstlersein im Kapitalismus

Am 19. Dezember 2018 war ich im Deutschlandfunk um für die Sendung Kultur Heute ein Interview zu geben zum Thema des Künsterseins im Kapitalismus.
Der Interviewer war Stefan Koldehoff, der ein gutes Gespräch geführt hat. Natürlich habe ich danach vieles entdeckt, was ich auch anders oder prägnanter hätte ausdrücken können und einiges ist gar nicht zur Sprache gekommen. Aber dafür gibt es ja diesen Blog und das Buch zum Thema.

Hier der Link zum Gespräch zum Nachhören und nachlesen kann man das Interview hier:


Stefan Koldehoff: Und mit der Kunst und der Wirtschaft geht es auch noch ein wenig weiter, knapp eine Woche vor Weihnachten. Mit Kunst und Kapitalismus, um es präzise zu sagen – schließlich kann man Bilder und Grafiken und Plastiken und und und ja auch ganz prima schenken.
Die ewige Schenken-oder-Nicht-Schenken-Debatte kann ja ohnehin schon seit Jahren niemand mehr hören – weil es einfach keine richtige Antwort geben kann. Der Kölner Künstler Ralf Peters hat dafür und in diesem Zusammenhang eine andere Diskussion angestoßen oder wiederbelebt. Jene nämlich, wie Künstlerinnen und Künstler eigentlich überhaupt jenseits des kapitalistischen Systems noch eine eigene Position finden können. Herr Peters: Warum ist das überhaupt ein Thema?

Ralf Peters: Zunächst mal war es für mich ein ganz persönliches Thema vor einigen Jahren, als ich einfach künstlerisch an einem Punkt war, an dem ich noch mal mich selbst positionieren wollte, und über diese Versuche der Selbstpositionierung ist es dann dazu gekommen, dass sich das Thema noch mal in eine etwas allgemeinere Richtung für mich entwickelt hat. Ich denke, dass der Künstler und die Künstlerin in unserem durchkapitalisierten System schon ein paar wichtige Funktionen möglicherweise haben, und einige dieser Funktionen sind nicht affirmativ, um es mal so zu sagen, sondern könnten vielleicht auch die Künstler selber rausziehen aus einer zu engen Umklammerung durch dieses kapitalistische Denken.

Koldehoff: Sie gehen das Thema historisch an. Sie beginnen bei Friedrich Schiller und den Briefen zur ästhetischen Erziehung. Schiller wollte der Entfremdung des Menschen von Arbeit und Produkten und der Welt insgesamt ein Konzept entgegensetzen, das aus der Kunst kommen sollte, das hin zu einer menschenwürdigeren Existenz wieder führen sollte. Das war damals doch eigentlich gar kein schlechter Gedanke?

Peters: Ja, das glaube ich auch. Damals war das ein guter Gedanke und das wäre auch heute noch ein guter Gedanke. Aber die Verhältnisse sind nicht mehr so.

Koldehoff: Was hat sich geändert?

Peters: Das, was sich geändert hat, ist, dass das kapitalistische Denken, der Geist des Kapitalismus, wie ich es dann in diesem Buch hier mit Max Weber und Max Scheler nenne, so überhandgenommen hat, dass es mehr darum gehen muss, für den Künstler überhaupt noch irgendwelche Nischen zu finden, in denen so etwas wie eine künstlerische Existenz noch möglich sein könnte.

Koldehoff: Das heißt, sich nicht anzupassen an dieses System, das, wenn man Ihnen folgt in Ihrem Buch, eigentlich alle Bereiche von Gesellschaft fest im Griff hat.

Peters: Ja, genau. Sich nicht anzupassen oder zumindest zu wissen, wenn man sich anpasst. Eine Position zu finden, in der es möglich ist, den Abstand zum kapitalistischen Denken selbst zu entscheiden, selbst zu bestimmen.

Koldehoff: Das klingt ein bisschen schwarz-weiß. Ist denn Kapitalismus per se eine Form, die immer nach Affirmation, nach Vergewisserung, nach Bestätigung strebt?

Peters: Ich würde sagen, Kapitalismus ist auf jeden Fall ein System, das immer nach Vereinnahmung strebt. Alles was es an Tendenzen in einer Gesellschaft gibt, die kapitalistisch funktioniert, will vom Kapitalismus – was immer das heißt; das ist natürlich kein Subjekt, das wirklich handelt. Aber in diesem System gibt es die Tendenz, dass die verschiedenen auch Gegenbewegungen zum Kapitalismus vereinnahmt werden und selbst zu Waren gemacht werden, zu Produkten gemacht werden, die man auf einem Markt wieder verkaufen kann.

Koldehoff: Ist das denn jemals anders gewesen in der Geschichte des Künstlerseins, der Künstlerexistenz?

Peters: Das glaube ich schon. Es war natürlich immer so, dass Künstler auch in irgendeiner Weise leben mussten und bezahlt werden mussten für das, was sie gemacht haben. Aber das stand in früh- oder in vorkapitalistischen Gesellschaften, glaube ich, nicht so im Vordergrund. Da gab es ja ganz andere Gründe, warum Künstler Kunst gemacht haben, beispielsweise religiöse Gründe, und das hatte natürlich einen ganz anderen Zusammenhang, als das heute im Kapitalismus der Fall ist.

Koldehoff: Der Preis dafür war natürlich, dass man damals gefallen musste – sei es nun der Kirche als Auftraggeber oder den Fürstenhäusern als Auftraggeber. Privates Sammeln und damit auch privaten Geschmack und Freiheit gab es ja zunächst noch nicht.

Peters: Das gab es damals noch nicht – genau. Das heißt, es ist auch ganz wichtig zu sehen: Die Form von Kunst, die wir heute haben, hat sich ja auch innerhalb einer Kulturgeschichte entwickelt, zu der auch der Kapitalismus gehört, und man könnte sogar sagen, dass der Kapitalismus und die moderne Kunst, so wie wir sie heute verstehen, aus derselben Wurzel stammen, nämlich der Renaissance der Moderne, wenn man so will. Insofern gibt es da natürlich nicht nur negative Aspekte; da gibt es ja unglaublich viele Möglichkeiten und Chancen, die sich überhaupt erst für die moderne Kunst eröffnet haben, die es vorher nicht gegeben hat.

Koldehoff: Eine der zentralen Fragen, die Sie immer wieder stellen in Ihrem Buch, ist die nach der Integrität und nach der Haltung.

Peters: Ja.

Koldehoff: Wie kann man überhaupt in der durchkapitalisierten Gesellschaft noch eine integre Position entwickeln als Künstler. – Wie kann man denn, Herr Peters?

Peters: Ja, es ist eine große Frage, und ich weiß nicht, ob ich die Antwort darauf schon habe. Das ist ja auch nur (dieses kleine Büchlein) ein Schritt auf dem Weg des Weiterdenkens. Ein wichtiger Aspekt für mich zumindest wäre das, was ich im Prinzip schon gesagt habe, dass man versucht, den Abstand zum kapitalistischen Denken zu wahren oder zumindest zu wissen, wie ich ihn wahren könnte. Ich kann als Künstler mich ja nicht völlig rausziehen aus unserer Gesellschaft. Wenn ich überleben will, muss ich in irgendeiner Weise auf dieser ökonomischen Ebene auch Kompromisse eingehen, oder das, was ich mache, in irgendeiner Weise auch in den Markt hineinbringen. Aber für mein eigenes Denken, für mein Selbstverständnis kann es mir vielleicht gelingen, immer wieder und auch immer wieder neu eine Position zu finden, in der ich für das, worum es mir eigentlich geht in der Kunst, integer bleibe, um das Wort noch mal zu benutzen.

Koldehoff: Ist das denn eine Fragestellung, die sich vor allen Dingen jungen Künstlerinnen und Künstlern stellt? Wenn Sie einen Gerhard Richter, einen Georg Baselitz, einen David Hockney fragen werden, malen Sie für den Markt oder fürs kapitalistische System, dann werden die das vehement bestreiten.

Peters: Ja. Aber ich glaube, die bestreiten es nicht in erster Linie, weil sie schon relativ alt sind und erfahren sind, sondern weil sie schon keine Notwendigkeit mehr haben, fürs Überleben noch Geld zu verdienen, sondern das sind ja erfolgreiche Künstler, die auf der einen Seite im Markt so angesehen sind, dass sie auf der anderen Seite auch machen können was sie wollen – toll für diese Künstler und da passiert ja unglaublich viel Gutes an Kunst dadurch. Aber die meisten Künstler, egal ob sie jünger sind oder älter sind, erfahren oder nicht so erfahren, sind ja in einer ganz anderen Grundsituation, in der die Frage, wie kann ich überleben als Künstler oder Künstlerin, sich immer wieder neu stellt.

Koldehoff: Sind diese durchgesetzten Künstler, über die wir jetzt sprechen, denn welche, denen Sie ein gewisses Maß an Integrität nach Ihrem Kanon zubilligen?

Peters: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass so jemand wie Gerhard Richter das wirklich geschafft hat für sich selbst – und das spricht für ihn als Künstler und wirklich auch als reife Person –, sich von dem, was der Kunstmarkt mit ihm macht, nicht in einer Weise beeinflussen zu lassen, dass er diesen Markt bedienen will. Aber er hat natürlich auch mittlerweile diesen Status, in dem er, egal was er macht – und das ist ja immer in irgendeiner Weise interessant, herausfordernd, anregend, gut will ich nicht sagen –, er macht halt das, was da möglich ist für ihn und was notwendig ist für ihn als Künstler. Insofern ist das sehr integer.

Koldehoff: Dass es zu Schillers Zeiten den Kapitalismus jedenfalls in der heutigen Form noch nicht gegeben hat, darüber haben wir gerade schon gesprochen. Ab wann fangen denn Philosophen und Künstler selbst an, sich Gedanken zu machen über das Thema, wie positioniere ich mich in dieser Gesellschaft?

Peters: Das fängt sicher in der Zeit des aufkommenden Sozialismus im 19. Jahrhundert an. Da wäre Marx, da wären die Frühsozialisten in Frankreich sicher zu nennen. Ich beziehe mich in dem, was ich geschrieben habe und woran ich ja immer noch schreibe, eher auf einen etwas späteren Vertreter, auf Max Scheler, einen Philosophen, der selber kein Künstler war, aber als Philosoph auf sehr, manchmal für uns heute vielleicht auch merkwürdigen Wegen sich mit der Kunst beschäftigt hat und auch mit der Bedeutung von Kunst und Künstlertum für eine Gesellschaft, die auch seiner Meinung nach – Anfang des 20. Jahrhunderts kurz vorm Ersten Weltkrieg wurden diese Texte geschrieben, auf die ich mich beziehe – eine große Rolle spielten für diesen Kapitalismus.

Koldehoff: Auch aus eigener Biografie heraus oder warum hat er sich damit befasst?

Peters: Nicht insofern aus der eigenen Biografie heraus, als dass er als Künstler oder geistig Schaffender, wie er das selber nennt, unter dem Kapitalismus in dieser Weise gelitten hätte. Er hat auch sehr lange gebraucht, bis er eine feste Stelle hatte an einer Uni, aber ich glaube nicht, dass das eine rein persönliche Bezugnahme war, sondern ihm ging es, glaube ich, schon auch auf eine wirklich klassisch und typisch philosophische Weise um das Ganze und in dieser Frage um das Ganze hat er gesehen, dass da Kapitalismus ein ganz wichtiger Aspekt ist.

Koldehoff: Wenn Sie heute an Kunsthochschulen gehen oder diese Rundgänge, die es einmal im Jahr gibt, mitmachen und mit jungen – ich habe gerade gelernt, es liegt ja nicht am Alter-, noch nicht so durchgesetzten Künstlerinnen und Künstlern sprechen, dann hören Sie, dass es inzwischen Seminare gibt zum Thema Künstler und Marketing, wie werde ich denn erfolgreich, wie positioniere ich mich zumindest merkantil am Kunstmarkt. Ist das ein Widerspruch zu Ihren Forderungen?

Peters: Ich weiß nicht, ob das ein Widerspruch ist. Es kann ja nicht schaden, zu wissen, wie man in der Welt Resonanz bekommt für das, was man als Künstler und Künstlerin macht. Die Gefahr ist natürlich schon, dass man, wenn man es auf diese Weise lernt, das Marketing zu bedienen, dass man dann auch diesem Geist des Kapitalismus mehr verfällt, als es vielleicht für die eigene Kunst gut ist.

Koldehoff: Widerspricht das einem Qualitätsgedanken?

Peters: Das widerspricht zumindest dem Gedanken einer gewissen künstlerischen Integrität und ich würde schon auch sagen einem Qualitätsgedanken, weil wenn ich zu früh anfange, in meiner Kunst zu bedenken, wie ich diese Kunst in die Welt bringe, erfolgreich in die Welt bringe, hat das einen Einfluss auf das, was ich als Künstler mache. Wahrscheinlich ist das, was ich mache, wenn ich das ein bisschen auf Abstand halte, qualitativ interessanter zumindest.

Koldehoff: Schenken Sie Kunst zu Weihnachten? Nehmen Sie teil am Kunstmarkt?

Peters: Wenn man Bücher zur Kunst zählen würde, ja. Sonst nicht.

 

Samstag, 1. Dezember 2018

Kapitalistische Kolonisierung


only in german this time....

Fundstück:

Das Zitat, das ich hier gerne vorstellen möchte, stammt aus dem Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“ von Achille Mbembe (erschienen bei suhrkamp) - ein Text, der sehr deutlich und anschaulich macht, dass und wie Sklaverei und Kolonialismus mit dem Aufstieg des Kapitalismus verwoben sind.  Die Idee von Macht, die Mbembe hier ausformuliert, ist aber zunächst ganz allgemein gedacht und der koloniale Potentat war nur eine Ausformung dieser Struktur.

„Jede Macht, die von Dauer sein will, muss sich bekanntlich nicht nur den Körpern ihrer Untertanen aufprägen, sie muss auch den von ihnen bewohnten Raum markieren und unauslöschliche Spuren in ihrer Vorstellungswelt hinterlassen. Sie muss den Unterjochten einhüllen und ihn in einem mehr oder weniger permanenten Zustand der Trance, der Vergiftung und der Konvulsion halten – unfähig, für sich allein klar zu denken. Nur so kann sie ihn dazu bringen, zu denken, zu handeln und sich zu verhalten, als wäre er unwiderruflich in einem Zauber gefangen. Die Unterwerfung muss auch in die Routinen des alltäglichen Lebens und in die Strukturen des Unbewussten eingeschrieben werden. Der Potentat muss derart im Untertan wohnen, dass der seine Fähigkeit, zu sehen, zu hören, zu riechen, zu fühlen, sich zu rühren, zu sprechen, sich fortzubewegen und eigene Vorstellungen zu haben, nicht mehr auszuüben vermag (..).“

Die These, die ich mit dem Zitat in den Raum stellen will, besagt, dass der Kapitalismus, oder genauer: der Geist des Kapitalismus eine Macht darstellt, die genau nach den oben skizzierten Strategien arbeitet. Der Kapitalismus hat es geschafft, als dominantes Ethos unserer Welt zu fungieren. Das bedeutet aber auch, dass der direkte Kampf gegen den Kapitalismus nicht mehr erreichen kann, als seine schlimmsten Auswüchse zu mindern. Das ist natürlich schon viel aber kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine solche Macht nicht besiegt, oder in etwas anderes umgewandelt werden kann, wenn nicht zuerst eine Arbeit der Bewusstmachung stattfindet. Sich bewusst werden, wie sehr der Geist des Kapitalismus in meinen Körper und meinen Geist eingedrungen ist, um dann nach Strategien zu suchen, um in Distanz zu diesem kapitalistischen Geist zu kommen. Dabei können Künstler*innen, die sich noch Inseln eines nichtkapitalistischen Denkens und Handelns bewahrt haben, mit ihrer Arbeit helfen und vielleicht eine Vorreiter-Rolle spielen. Das ist allerdings nur eine Hoffnung....

Sonntag, 11. November 2018

Warhol on work/Warhol zu Arbeit

english below and in green!

Vor ein paar Tagen habe ich hier in Köln eine Lesung mit Texten von Andy Warhol gemacht. Die Veranstaltung fand statt im Rahmen der Ausstellung mit LP-Covers, von denen Andy Warhol unzählige gestaltet hat und die zur Zeit im Museum für Angewandte Kunst in Köln zu sehen sind. Textgrundlage waren Ausschnitte aus einem Buch mit dem Titel: "Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück" (Ffm 2006). Das ist eine Zusammenstellung von Schriften des Künstlers zu verschiedenen Themen. Ich habe mich auf zwei Themen konzentriert: Arbeit und Unterhosen.
Auf den Teil mit den Unterhosen habe ich mich dadurch vorbereitet, dass ich vor der Lesung selbst Unterhosen kaufen gegangen bin. Warhol behauptet, die Tätigkeit des Unterhosenkaufens zeige sehr viele Aspekte der Persönlichkeit des Kaufenden. Da hat er sicher recht. Die Marke, die Warhol bevorzugt hat, gibt es übrigens immer noch und auch Unterhosen mit "Pima-Baumwolle", auf die sein snobistischer Freund schwört, kann man noch kaufen.

Für unsere Fragen auf diesem Blog ist das andere Thema, die Arbeit, ein wenig ergiebiger. Warhol bietet natürlich keine kritische Analyse seines oder des allgemeinen Arbeitsbegriffes. Er denkt überhaupt nicht kritisch oder analytisch, sondern durchgehend affirmativ. Das hat einen bestimmten Reiz, denn dadurch entgeht er der Gefahr, die Dinge durch eine wie auch immer gefärbte ideologische Brille zu betrachten. Seine Texte sind in keiner Weise antikapitalistisch und doch sind sie subversiv. Denn obwohl er hervorhebt, wie wichtig ihm das "Business" ist, zeigt sich beim näheren Hinsehen, dass er das Business nutzt, um die Kunst in die Welt zu bringen. Ihm ging es darum, dass nicht nur die Kunstwelt seine Arbeiten wahrnimmt und womöglich schätzt, sondern dass sie in der "Welt da draußen" rezipiert wird. Er freute sich, dass seine "Kunst nun im Kommerz mitschwamm - mitten ins wirkliche Leben hinein" (Warhol S. 87). Und die Mittel, die er dazu einsetzt, biedern sich nicht an den sogenannten Massengeschmack an, sondern sie prägen diesen Geschmack.
Seine Filme, mit denen er offenbar die Factory finanziell lange über Wasser hielt, sind alles andere als mainstreamnahe.
Sein Verhältnis zur Arbeit ist nicht vom kapitalistischen Leistungsdenken geformt. "Ich glaube, dass ich Arbeit schon deshalb sehr locker interpretiere, weil ich der Meinung bin, dass allein der Umstand, dass man lebt, viel Arbeit mit sich bringt, viel Arbeit, die man eigentlich gar nicht machen will. Geboren sein ist gerad so wie entführt werden. Und als Sklave verkauft werden (...)." (Warhol S. 91f.)
Sein Verhältnis zur Arbeit ist ganz und gar pragmatisch. Wenn sie nötig ist, wird sie auch getan, aber sie hat keinen darüber hinaus gehenden Eigenwert. Warhol nutzt also auch hier die Mittel, die die kapitalistische Welt ihm bietet, um damit seine eigenen Vorhaben umzusetzen. Aber er käme nie auf die Idee, der Arbeit einen Wert für seine Definition als Mensch und Künstler zuzugestehen. Damit fällt er nicht auf die sonst übliche völlige Überbewertung der Arbeit für den Menschen und die Welt herein, die schon Max Scheler  im Geist des Kapitalismus am Werk gesehen und kritisiert hat.

Some days ago I did a reading with texts of Andy Warhol. This event took place in the context of an exhibition with record-covers that Warhol designed and which are shown in the Museum of Applied Arts in Köln. I read parts of a book with a collection of his writings: "The philosophy of Andy Warhol from A to B and back". I don´t know if this book exists in english as well. Anyway I focused on two issues that he writes about: Work and Underwear.
To prepare for the part about underwear I went shopping some underpants for myself just before the reading started. Warhol claims that shopping underwear is an act that shows quite a lot about the personality of people. I agree. I realized that the brand that Warhol preferred still exists as well as pants with "Pima-cotton" that his snobby friend use to wear.

For the questions we are dealing with on this blog the other subject - work - is a bit more interesting. Warhol of course doesn´t give a critical analysis of work. He doesn´t think in terms of analysis or critique but nearly always affirmative. This has a certain appeal, because doing so he he avoids the risk to fall into the traps of ideology. His texts are not at all anticapitalistic but they are subversive! Although he points out how important business is for him you can see in a closer view that he uses business just to bring his art into the world. He wanted his work seen and known not only in the close circle of the artists scene but "out there" in the world. He was glad that his art "was swimming with the commercial realm - right into real life!". He doesn´t serve mainstream taste to be successful, but he forms it.
Warhol´s relation to work isn´t formed by the capitalistic thinking of performance. " I believe that I take work so easy because I think that the mere fact of living brings a lot of work already, work that you don´t want to do. Being born is like being kidnapped. And sold as a slave." (translation from german)
He has a pragmatic relation to work. If it is necessary he does it. Warhol here like always uses the means that the capitalistic world offers to realize his ideas but apart from this work has no meaning or better: no value for the fundamental understanding of human beings. In difference to the spirit of capitalism (as Scheler has described it) Warhol would never agree to the overestimation that work normally has in our world. This is a form of artistic subversion that we can see in Warhol´s writings.

Montag, 24. September 2018

Artists and workers

Today I would like to talk about some theses that I heard in a short lecture given by Vibbek Chibber, one of the leading figures in the US for anticapitalist thinking. I want to find out if there is anything relevant in his thoughts for my/our question of the relation of artists to capitalism.
Chibber´s  most important book is as far as I can see: Postcolonial Theory and the Specter of Capital. Strangely enough not yet translated into german.
The lecture that I saw on youtube is about "Why do socialist talk so much about workers?", it was held in March 2017 in a bookshop in NYC.

The title of this lecture is a fair question and Chibber argues that there are very good reasons for socialists to talk about workers and the working class. For me it is always a bit odd to see a bunch of intellectuals (like myself) sitting in a bookshop and talk about the working class without having any examples of this "species" around. But I am aware that this is more an aesthetic than a political remark...

Chibbers starts to claim that there are two main issues that have to be available to human beings to give them some social justice. The first one is that they need certain material goods to survive in a manner outside of the mode of desperation: enough to eat, housing, clothing etc. and (I add) some means to join the social life of their societies. I of course agree with this point and artists know often very well how the struggle of surviving on a financial level can become an obstacle for the artistic work. The poor artist who finds inspiration in his/her suffering is only a romantic ideal - most artists have enough sources for suffering without the danger of starvation or not being able to pay the rent.

As the second aspect that is necessary for social justice Chibbers lists autonomy or freedom of domination.
This seems to me much more difficult than the first one. I immediately agree that autonomy is crucial for myself and I guess it is so for most artists - and for everybody who was present in this bookshop in New York City for the lecture. But would everybody else agree with this statement? Do people really think that the freedom of domination will be a condition for social justice? There is a lot to discuss and I come back to this point later.

Chibbers argues that Capitalism is a system that systematically deprives people of both of these goods: basic material goods and autonomy. And the group of people who is the most in danger of being deprived of these goods is the working class.
This sounds like an argument that could have been heard also in the late sixties or in the early twenties of last century in Europe or the US. It is not wrong. But there are so much "Buts" around it that I doubt if the overcoming of capitalism is going to happen if we follow this path (having also in mind how often this path had failed already....). I am not going to explore all these "Buts", but (!) I am focusing on one issue:
Chibbers ignores here that the rise of the idea of autonomy (a very modern concept!) went hand in hand with the rise of capitalism, both starting in the Renaissance and being strongly present in European societies since the 17th or 18th century.  This is not by accident. Capitalism needs a type of personality that has a certain degree of autonomy because only autonomous people are willing and able to take risks. And taking risks is (or at least has been) one of the main conditions to be an entrepreneur. The other main type of person that is needed by capitalism is the "Bourgeois" and he or she doesn´t need or want autonomy but safety. He or she doesn´t need to make own decisions as long as he/she can live according to the traditions and values of the social framework in which they were put in.
(If you have read more of this blog you will recognize some thoughts from Max Scheler here.)

Capitalism cannot afford to oppress all sorts of autonomy for everybody because it is needed as a source for progress. We are not hitting the crucial point in claiming that everybody wants or needs autonomy and that Capitalism is oppressing exactly this need. Things are more complex and reducing the struggle against Capitalism to the old fight of the working class is not enough. It is time to see the wider picture. 

My point is: As long as socialism focuses only of the working class as the group of people who do not get the autonomy and the basic needs that they should have, the best result they will come to is a better social and financial situation for the workers. Nothing wrong with this. But if we want to overcome Capitalism as the ruling ideology worldwide we have to start somewhere else.
My proposal: Let´s start with ourselves! Let´s start as artists, as intellectuals, as writers, students etc. and find out how and where the Spirit of Capitalism is working against our wishes, values and ideas and how Capitalism deprives us of our dignity as human beings. And then let´s try to step out of the logic of Capitalism.
Max Scheler wrote already in 1914 that the artists have to play an important role in the process of overcoming Capitalism. Maybe the time is now to take this idea serious?




Samstag, 26. Mai 2018

zur kapitalistischen Strategie der Vereinnahmung/ about the capitalist strategy of colonization of countermovements


english below and in green

Durch irgendwelche digitalen Zufälle bin ich in den Verteiler der Zeitschrift ManagerSeminare geraten und bekomme sie einmal mit Jahr gratis zugeschickt (Heft 243, Juni 2018). Die Zeitschrift wendet sich anscheinend an Unternehmensberater, Coaches und Fortbildungsabteilungen in Unternehmen. Abgesehen davon, dass der dort genutzte Business Talk eine schwere Herausforderung für jeden darstellt, der sich mit den ästhetischen Aspekten von Sprache beschäftigt, bietet die Lektüre sehr interessante Einsichten in den Geist des Kapitalismus. Dieses Mal war in dem Heft ein Artikel zu finden, der für unsere Fragestellung nach den Möglichkeiten von Künstlern, der kapitalistischen Logik nicht in die Falle zu gehen, einiges an (ernüchterndem) Material liefert.
In dem Artikel mit der Überschrift „Thesen zum Tomorrow“ (sic!) listet der Autor Harry Gatterer, seines Zeichens Geschäftsführer eines offenbar auf die Wirtschaft ausgerichteten „Zukunftsinstituts“, eine Reihe von 14 gesellschaftlichen und ökonomischen Tendenzen auf, die seiner Ansicht nach die nähere Zukunft bestimmen und von Unternehmen beachtet werden sollten. In der Liste gibt es ein paar Überraschungen. Da werden Aspekte aufgeführt, von denen wir (?)/ einige von uns gedacht und gehofft hatten, dass sie den Kapitalismus eher zurückdrängen als unterstützen würden. Dieser Artikel ist ein weiteres Indiz dafür, dass die große und fast immer unterschätzte Stärke des kapitalistischen Geistes in seiner Fähigkeit besteht, Gegentendenzen und kleine und große Widerstandsbewegungen zu vereinnahmen und aus ihnen Waren und Märkte zu machen.
Auf ein paar in dem Artikel genannten Tendenzen will ich etwas genauer eingehen. Eines lautet: Achtsamkeit. Gatterer sieht in der Tendenz, Achtsamkeit ins eigene Leben zu bringen, eine Gegenbewegung zur „permanenten Reizüberflutung, zur medial erzeugten Aufregung und zur erzwungenen Steigerung der Aufmerksamkeitsressourcen“. Dem kann man nur zustimmen. Er glaubt, dass Achtsamkeit auch im „Businesskontext ein wichtiger Grundwert und eine Arbeitstrategie“ werde.
Natürlich gibt es auch schon längst Trainingsangebote für Achtsamkeit für Unternehmen. Und natürlich kann es niemandem schaden, die Fähigkeit zur Achtsamkeit zu schulen. Denn, so steht es in dem Artikel: „Sie verhilft zur Stärkung von Klarheit, Stabilität und Kompetenz“. Mit diesem letzten kleinen Satz wird deutlich, wieso es aus einer unternehmerischen Sicht sinnvoll erscheinen kann, Achtsamkeit als Wert in den kapitalistischen Zusammenhang zu integrieren und sie damit zu vereinnahmen. Sie stärkt nämlich Werte, die dem Unternehmen helfen, erfolgreicher zu sein. Man muss sich klar machen, dass es hier um Strategien geht, Unternehmenserfolge zu fördern. Das ist das über allem stehende Ziel des kapitalistischen Geistes. Achtsamkeit, eine Qualität, die eigentlich aus einem im weiten Sinne religiösen Zusammenhang stammt, wird zum Mittel der Profitsteigerung.
Ein anderes Zukunftsthema, das der Autor Gatterer auflistet, trifft mich selbst ziemlich hart, weil es einen Aspekt aufgreift, mit dem ich mich seit einiger Zeit künstlerisch und sozusagen kunsthistorisch sehr beschäftige. Bei mir geht es um die Frage, wie wir Lebensformen finden können, in denen die Gemeinschaftlichkeit von allen Mitgliedern getragen und zugleich jedes Mitglied in seiner individuellen Entfaltung unterstützt wird.
Der Sozialismus in seinen realen Ausprägungen des 20. Jahrhunderts hat die Idee der gerechten Gemeinschaft auf Kosten der individuellen Freiheit der einzelnen aufbauen wollen und der Kapitalismus versucht(e), eine Gesellschaft des Hyperindividualismus zu konstruieren, in der kein Platz mehr für solidarische Strukturen benötigt wird. Aber gerade unter Künstlern gab es schon sehr früh Initiativen, um Gemeinschaftlichkeit und Individualität zusammen zu denken und praktisch zusammenzuführen.
Schon kurz nach dem 1. Weltkrieg entstanden einige sehr inspirierende Versuche von KünstlerInnen, die in diese Richtung wiesen. Einer dieser Versuche war die so genannte Kalltalgemeinschaft, eine Gruppe von meist jungen Künstlerinnen und Künstlern, die 1919 aus Köln nach Simonskall in der Eifel zogen, um dort gemeinsam zu leben und ihre Kunst zu machen, und zwar Kunst, die nicht die Naturidylle feiert, sondern gesellschaftlich relevant sein wollte.
Jetzt lese ich unter der Begriff Wir-Kultur auf der Liste der Zukunftstendenzen von Gatterer, dass „sich heute neue Gemeinschaftsstrategien (entwickeln). Sie entsprechen dem Wunsch nach Individualität, Selbstverwirklichung und Unterscheidung von der Masse und erlauben dennoch ein Zugehörigkeitsgefühl.“ Die Notwendigkeit, neue Formen des Zusammenlebens zu erkunden, scheint also als Tendenz schon in den kapitalistischen Gefilden angekommen und wahrgenommen worden zu sein. Und damit taucht sofort die Gefahr auf, dass diese Versuche, noch bevor sie die Praxisreife für die Gesellschaft gewonnen haben, vom kapitalistischen Denken vereinnahmt und auf ihre Marktkonformität hin gestaltet werden. Wie lässt sich das verhindern?

In der Liste der Zukunftstendenzen, die der Autor aufzählt, finden sich zwei, die das ökonomische System des Kapitalismus selbst betreffen. Unter dem Titel Postwachstumsökonomie schreibt Gatterer: „Die neue Wirtschaft wächst nicht mehr, sie reift“. Der Primat des Wirtschaftswachstums, einer der wichtigsten ideologischen Grundpfeiler des kapitalistischen Geistes, soll demnach seine tragende Funktion für die durchökonomisierte Welt verlieren. Zu schön, um wahr zu sein?
Außerdem wird unter Slow Business eines der infantilen Ideale des kapitalistischen Geistes (Max Scheler) in Frage gestellt, nämlich der Primat der Schnelligkeit. Es gibt ja verschiedene soziale Bewegungen, die sich gegen den kapitalistischen Zwang zur Schnelligkeit zur Wehr setzen wollen. Slow Food war eine der ersten. Nun soll plötzlich nicht mehr Schnelligkeit, sondern die Entschleunigung das Maß der Dinge im Unternehmenskontext sein.
Gute Nachrichten, sollte man meinen!

Jedenfalls Thesen, aus denen verschiedene Folgerungen gezogen werden können: Eine wäre, das Konzept des kapitalistischen Geistes, das ich hier in meinem Blog vertrete, als überholt und falsch zu deklarieren. Das ist eine Möglichkeit, die ich nicht außer Acht lassen will.
Eine andere bestände darin zu behaupten, dass der Kapitalismus sich selbst nicht ganz kennt und die vermuteten Tendenzen für das ökonomische System ganz anders wirken werden als Gatterer annimmt. So ist die Entschleunigung ja schon längst zu einem Markt geworden, der von Unternehmen beliefert, geprägt und gestaltet wird. Und wie immer sind die Unternehmen erfolgreich, die am schnellsten die passenden Angebote auf den Markt gebracht haben. Die Schnelligkeit bleibt also das kapitalistische Ideal.

Eine dritte Folgerung setzt eine Ebene tiefer an. Sie besteht in der Vermutung, dass der Kapitalismus als Konzept nicht wie eine politische Ideologie, wie etwa der Marxismus oder auch der Neoliberalismus, funktioniert. Ideologien haben (grob gesagt) die Angewohnheit, die Welt durch die Brille des eigenen Welt-Konzeptes zu betrachten und sie entsprechend zu interpretieren. Auftauchende Widersprüche weisen allenfalls darauf hin, dass die Ideologie nicht verstanden ist, bzw. an einigen Details nachgebessert werden muss. Doch dass die Welt den eigenen Vorstellungen nicht entspricht, gehört nicht zu den bedenkenswerten Optionen. Der kapitalistische Geist ist da offener. Er erkennt Widersprüche an und schafft damit die Grundvoraussetzung dafür, die entsprechenden Tendenzen und Bewegungen auf mittlere Sicht für sich zu vereinnahmen. Die Entwicklungen der Postwachstumsökonomie und der Entschleunigung sind in diesem Denken keine Gefahren für den Kapitalismus, sondern potenzielle Märkte. In der kapitalistischen Variante der Postwachstumsökonomie wird deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach das Wachstum als Maßstab nicht seine Bedeutung verlieren, wie Gatterer vermutet, sondern diejenigen Unternehmen werden wachsen, die bestimmte Werte aus den Bereichen Lebensqualität und Umweltschutz am überzeugendsten an die Frau und den Mann bringen. Das gleiche gilt für die Entschleunigung. Auf den Ebenen, auf denen es marktfördernd ist, kann der kapitalistische Geist seine Grundgedanken zur Seite schieben. Doch dadurch wird seine Dominanz nicht geschwächt, sondern gestärkt. Der kapitalistische Geist wird solche Bewegungen unterstützen, solange Geld damit zu machen ist. Aber die Struktur der kapitalistischen Logik wird dadurch nicht erschüttert.
Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Mit Max Scheler könnte man sagen, dass der Kapitalismus ein Wertesystem darstellt, in dem die Hierarchie der Werte ganz anders ist als in anderen Systemen. Die Ethik des Kapitalismus besitzt eine Flexibilität, die beängstigend ist. Sie ist in gewisser Weise „jenseits von gut und böse“, solange sich aus den gesellschaftlichen Entwicklungen Kapital schlagen lässt.

Was hat das alles mit der Frage nach dem Künstler sein im Kapitalismus zu tun? Sofern KünstlerInnen einen inneren Abstand zum kapitalistischen Geist aufbauen und aufrecht erhalten wollen, müssen wir uns der Gefahr sehr bewusst sein, dass unsere Gegenentwürfe vom Kapitalismus vereinnahmt werden, statt ihn in die Schranken zu weisen. Wie können wir das verhindern?
1.    Ich weiß es nicht.
2.    Durch genaues Denken! Denn die kapitalistische Vereinnahmung bedeutet zugleich immer eine Verfälschung dessen, was vereinnahmt wird. Die Verfälschung geschieht durch den Wechsel des ethischen Kontextes. Unsere Aufgabe als Künstler besteht darin, die eigenen Ideen und Gedanken so genau wie möglich zu kontextualisieren, mit anderen Worten, einen konzeptuellen Rahmen zu entwerfen, der nicht der kapitalistischen Logik folgt. Deshalb:
3.    Wir können versuchen, eine eigene, nichtkapitalistische Ethik zu entwerfen, um der Vereinnahmnungsmaschinerie etwas entgegensetzen zu können.
Viel zu tun.....

Künstlerinnen und Künstler scheinen mir die einzige Gruppe zu sein, die diese Aufgabe gegenwärtig angehen und vielleicht bewältigen kann, weil sich unter ihnen am ehesten Leute finden lassen, die auch insgeheim auf die Annehmlichkeiten und Sicherheiten eines kapitalistischen Daseins verzichten – zugunsten des eigenen künstlerischen Weges. Auch Künstler kennen die Verlockungen des Kapitalismus, aber wir nehmen sie nicht so ernst. Es gibt wichtigeres für uns.




Somehow I got into the mailing list of a german magazine called ManagerSeminars and more or less once a year I get a free copy of it. This magazine addresses consultants and coaches for companies and beside the fact that their language is a challenge for everybody who has some interest in the aesthetic aspects of writing reading this magazine brings some insights into the current form of the capitalist spirit. This time there was one article that delivers some (sobering) material for our question how artists can live and act without falling into the traps of capitalist logic.

The author Harry Gatterer, director of a „future institute“, presents a list of 14 social and economic tendencies which in his view will have an effect on the future and should be noticed by companies. This list contains some surprises. There are some issues in it from which we(?)/some of us had thought and hoped, that they rather will help to push back capitalism instead of supporting it. I think that this article shows once again that the very strength of capitalism, that is underestimated most of the time, is its potential of taking over and colonize counter tendencies and resistance movements and to form products and markets out of it. 

Now I would like to discuss some of the tendencies mentioned by H. Gatterer. One is mindfulness. Gatterer sees a new focus on mindfulness in our society and a strong wish to include it into daily life. For him this is a counter movement against the „permanent stimulus satiation, the medial generated excitement and the forced rise of resources for attention“. Who wouldn´t agree? He claims that mindfulness will become a core value and a new working strategy in business contexts.

Of course there are already offers for business training in mindfulness. And of course there is no harm for anybody in practising mindfulness. Because, quoting the article: „It helps to strengthen clarity, stability and competence.“ This little sentence shows why it is helpful from a company point of view to integrate mindfulness into the capitalist context. It improves values and qualities that help the company to become more successful! And this is the purpose of the capitalist spirit above all others. Mindfulness, a quality emerging from the religious field, becomes a mean to seek profit.


Another subject that is listed by the author hits me personally quite strong because it brings up an aspect that I am exploring for some time now in an artistic and historical form. I pose the question how it might be possible to find forms of living in which the togetherness is carried by every member and at the same time the individual development is supported by the community.

Socialism in its real occurrences of the 20th century tried to build up an equal and just society at expense of the individual freedom. Capitalism tries to construct a society of hyper individualism that lacks any space for solidarity. But especially artists looked very early for initiatives to think and live togetherness and individuality at the same time. (One was the so called Kalltalgemeinschaft, a group of artists who left Köln in 1919 to live and work together in the Eifel aiming for art that has social relevance.)

Now I read on this list with future tendencies under the title „culture of WE“ that there are new strategies developing that correspond with the wish for individuality, self development and still allows a feeling of belonging. The need for new forms of living together has seemingly entered the capitalist sphere and with this the danger arises that these attempts (of artists and others) will be taken over by the capitalistic world and thinking and will be formed into conformity for the markets. How can we prevent this?



There are two subjects in the list of future tendencies that are related directly to the economic system of capitalism. Under Post growth economy Gatterer writes: „The new economy doesn´t grow, it will ripen.“ The primacy of economic growth is one of the most important ideologic keystones of the capitalist spirit. But now it will lose ist function for the economized world? To good to be true?

Even one of the infantile ideals of capitalism (Max Scheler) is questioned through one of the future tendencies that Gatterer has listed. Slow Business is a movement that works against the pressure to be fast all the time. Slow Food was one of the first of these initiatives. Now in business contexts deceleration shall be the new goal that substitutes acceleration. Good news, one should think...


Anyhow these are assertions which allows different conclusions. One could be to declare the idea of the capitalist spirit that I support here in my blog as wrong and/or outdated. This is a possibility that I try to keep in mind.

Another conclusion is to claim that capitalism doesn´t know itself well enough and that the tendencies Gatterer listed will have other effects on the economic system that he assumes. Deceleration for instance already is a market for quite a lot of companies. And those companies are most successful that bring their products on the market fster than the others. Speed keeps to be an capitalist ideal.

A third conclusion starts on a deeper level. Here I guess that capitalism is not working like a political ideology, like marxism or neoliberalism. Ideologies have (roughly speaking) the habit to see the world through the glasses of their own world concept and to interprete the „facts“ only in this way. Contradictions only show a lack of understanding the ideology or where to improve some details of it. Capitalism is more open at that point. The capitalist spirit recognizes contradictions and in doing so creates the possibility to colonize these movements in the long run. Then post growth economy and deceleration are no dangers for capitalism but potential markets. Capitalism will support these movements as long as there is money in it. But the structure of the capitalist spirit or logic will not be changing through these tendencies.

I think this is important. With Max Scheler we can say that capitalism is a system of values that has a very different hierarchy of these values that all other social systems. The ethics of capitalism possess a flexibility that can be frightening. In some way it is „beyond good and evil“, as long as the system can capitalize on social movements and developments.


What is the connection between these considerations and the question of how to be an artist in capitalism? As long as artist want to build and keep a distance to the capitalist spirit, we have to be aware of the big danger that our attempts and alternative concepts can be colonized by capitalism. How can we prevent this?

1.    I don´t know.

2.    With precise thinking! Everything that is taken over by capitalism is at the same time distorted. Distortion happens here through a change of the ethical contexts. Our task (?) as artists is to contextualize as precise as possible. In other words, we have to create a conceptual frame that doesn´t follow the logic of capitalism.

3.     We can try to develop a non-capitalist ethical system that is clear and strong enough for not to be colonized by capitalism.

There is a lot to do..


Artist seems to be the only group of people who might be able to start with this project and fulfill it in the current social and political situation. There is a big chance to find artists who are willing and able to abstain from the conveniences and securities of a capitalistic life because there artistic work is much more important. Of course even artists know the temptations of capitalism, but we don´t take them too serious.

Montag, 23. April 2018

ARBEIT/WORK

Max Scheler geht in seiner Analyse und Kritik des Kapitalismus an einer Stelle tiefer als Marx, in dem er dem kapitalistischen Geist eine abstruse Überbewertung der Arbeit attestiert. Für Marx dagegen war Arbeit gerade dasjenige, das das Proletariat in das kapitalistische System einzubringen hat. Genau daher rührt für Marx die historische Stärke des Proletariats. Damit steht Marx, Scheler zufolge, in der Tradition einer protestantischen Arbeitsethik, die es so im katholischen Denken nicht gegeben hat.
Scheler war nicht der einzige, der zu seiner Zeit das Arbeitsverständnis des Kapitalismus hinterfragt hat und dabei die Verbindung zur protestantischen Ethik sah. Bekannt ist Max Webers Schrift über "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus".
Worin bestand der Unterschied im der Bewertung der Arbeit? Für den Menschen im europäischen Mittelalter gab es keine direkte Verbindung von Arbeit zum Seelenheil. Arbeit musste ausgeführt werden, um den Lebensunterhalt zu sichern. Das Seelenheil dagegen war über die christlich-rituelle Struktur der Lebenswelt in einigermaßen sicheren Händen der Kirche. Die einzige Ausnahme stellten die Nonnen und Mönche dar. Im klösterlichen Leben hatte die Arbeit eine höhere Bedeutung und wurde als Teil der religiösen Praxis verstanden.
Die mittelalterliche Gesellschaft als ganze war religiös geprägt, d.h. die Ordnung war darauf ausgerichtet, die Menschen zum "Seelenheil", bzw. dem, was die Kirche darunter verstand, zu führen. Arbeit war ein nachgeordnetes Thema.

Der Protestantismus hat, wie einige Kritiker zur Zeit Schelers schrieben, aus der Welt ein Kloster und aus allen Menschen Nonnen und Mönche gemacht, in dem er der Arbeit eine zentrale religiöse Bedeutung zuwies. Sie war nicht mehr nur notwendige Pflicht, um überleben zu können, sondern wurde nun als fundamentaler Wert der menschlichen Existenz verstanden. Der Mensch ist Mensch, weil er arbeitet, hieß es dann. Und nur über seine Arbeit kann er sich als würdig erweisen, nach dem Tod ins ewige Leben wechseln zu können.

Den religiösen Kontext dieser Weltanschauung hat unsere Epoche längst verloren, aber das merkwürdige Verständnis von Arbeit als Definitionsmacht des Menschen ist uns geblieben.

Was bedeutet das für das Selbstverständnis von Künstlern im Kapitalismus? Künstler*innen stehen oft in einer merkwürdigen Ambivalenz der Arbeit gegenüber. Einerseits ist die künstlerische Arbeit für sie ein entscheidender Aspekt ihres Lebens und ihres Selbstverständnisses. Insofern sind sie nicht weit entfernt von den Nonnen und Mönchen des Mittelalters und von ihren protestantischen Nachfolgern. Andererseits wird die künstlerische Tätigkeit von der Gesellschaft oft nicht als "richtige" Arbeit akzeptiert. Bücher schreiben, Bilder malen, Lieder singen? Was soll daran Arbeit sein, fragt sich der Bourgeois mit festem Angestelltenverhältnis.
Das ist natürlich Humbug, Kunst ist oft harte Arbeit, aber die Künstler wissen, dass harte Arbeit noch keine Kunst macht. Manchmal braucht die Kunst Zeit zum Warten, manchmal ist es wie ein Spiel, manchmal brauchen Künstler Rückzug, manchmal Austausch. Arbeit ist als Begriff viel zu eng, um die Tätigkeit des künstlerischen Schaffens zu erfassen.

Vielleicht wäre es hilfreich, für sich ein Verständnis der künstlerischen Tätigkeit zu finden, das den Begriff der Arbeit außen vor lässt, um sich nicht in den Fangstricken eines kapitalistischen Arbeitsdenkens zu verheddern. Dieser Abschied von der Arbeit kann nur gelingen, wenn man sich von der Idee befreit, Arbeit hätte etwas mit dem Selbstwert eines Menschen zu tun.
Soweit meine Arbeitshypothese (!!), die ich zur Diskussion stellen möchte.

Dienstag, 20. Februar 2018

neues Buch/ new book

out now:

erhältlich im Buchhandel!

mehr dazu hier: http://www.athena-verlag.de/controller.php?cmd=detail&titelnummer=1015

und gerne auf Anfrage!