Es wird immer offensichtlicher,
dass ein großer Teil der Kunstschaffenden in Deutschland durch die eigentlich
üppig ausgestatteten finanziellen Sicherungsnetze, die von den
Landesregierungen und der Bundesregierung aufgespannt wurden, durchfallen.
Freiberufliche Künstler*innen sind eine der Bevölkerungsgruppen, die durch den shutdown in
schwere existenzielle Nöte gedrängt werden.
Es ist an der Zeit, dagegen politisch
Druck zu machen und die Politiker wachzurütteln.
Mich interessiert,
wie es überhaupt dazu kommen kann? Was geschieht da gerade? Welches Verständnis
von Kunst und Kunstschaffenden herrscht bei den politischen
Entscheidungsträgern, der Verwaltung und der Gesellschaft? Einerseits hört man an jeder Ecke, wie
wichtig Kunst und Kultur für unser Leben seien, wie sehr es schmerzt, nicht
mehr ins Theater, ins Museum oder ins Konzert gehen zu dürfen. Doch
andererseits scheint kaum jemand die Gefahr begriffen zu haben, dass die
Kulturszene ihren freiberuflichen Unterbau zu verlieren droht und es Jahrzehnte
dauern könnte, bis eine ähnlich vitale Szene, wie wir sie zum Glück bislang hatten,
wieder entstanden ist.
Ich glaube, dass hier Strukturen
offenbar werden, die aus dem Geist des Kapitalismus erwachsen sind und einiges
über die Rolle der Kunst in der durchökonomisierten Gesellschaft verraten.
Freiberufler aus dem kulturellen
und künstlerischen Bereich machen nicht erst seit der Corona-Krise die
Erfahrung, dass die Steuergesetzgebung und das System der Kranken- und
Rentenversicherung mit den wirtschaftlichen Realitäten und der Art und Weise,
wie wir zwischen Aufträgen, Geldjobs und der meist unbezahlten Arbeit für die
Kunst überleben, wenig zu tun haben. Damit hatte man sich schon fast
abgefunden. Doch jetzt geht es ans Eingemachte.
Durch Corona wird deutlich, dass
die Kunstschaffenden als Berufsgruppe im vom Wirtschaftsdenken dominierten
Komplex, den man Gesellschaft nennt, weder ernst noch wichtig genommen werden.
Kunst ist ein Randphänomen, trotz aller gegenteiliger Beteuerungen aus der
Kulturpolitik.
Und es stimmt ja auch. Kunst ist
von ihrer Grundidee her für den kapitalistischen Geist ein Randphänomen. Viele
Künstler*innen stecken einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit und ihrer Energie
in Vorhaben, von denen abzusehen ist, dass sie sich finanziell gesehen nicht lohnen werden. Das kann die
Mehrheitsgesellschaft inklusive der Politik bis heute nicht verstehen, bzw.:
Das kann von einer grundlegend ökonomisch geprägten Gesellschaft nicht ernst
genommen werden. Die Kunst ist kein Teil des ökonomischen Wertschöpfungssystems.
Sie gehört in diesem Denken vielmehr zum Bereich des Ehrenamts, des sozialen
und gesellschaftlichen Engagements, dessen Bedeutung auch gar nicht geleugnet
wird. Aber the real thing ist die
Wirtschaft. Da kann Kunst nicht wirklich vorkommen. (Der durch und durch
kapitalistische Kunstmarkt ist eine andere Geschichte.)
Kunst ist im kapitalistischen
Kontext einerseits eine Angelegenheit des Prestiges. Wir zeigen unsere
Kultiviertheit mit unseren Theater und Museen, den Orchestern und den
Kunstpreisen. Doch davon abgesehen ist Kunst nur eine Art billige Ressource,
die den kapitalistischen Betrieb im Laufen hält, in dem sie dazu beiträgt, die
psychischen Kollateralschäden des Kapitalismus nicht ausufern zu lassen –
wohlgemerkt bei den Kunstkonsumenten! Wie es insbesondere den freiberuflichen Künstler*innen
geht, ist auf der Ebene gar keine Frage. Hauptsache, das ganze kostet nicht zu
viel.
Wie gesagt, wir müssen politisch
auf uns aufmerksam machen und angemessene Unterstützung verlangen.
Für die Frage nach dem Künstlersein
im Kapitalismus ist ein anderer Aspekt dieser Situation relevant:
Kunstschaffende können/müssen erkennen, dass sie tatsächlich „anders“ sind als
die meisten Menschen im kapitalistischen System. Wir ordnen unser Leben nach
Werten, die außerhalb der Kunst und einiger anderer Nischen bestenfalls im
Mittelfeld rangieren. In diesem Sinne stehen wir am Rande der Gesellschaft, die
sich wenig Mühe gibt, das Leben von freiberuflichen Künstlern zu verstehen.
Darin steckt eine Chance, nicht nur
für die Künstler*innen, sondern für die Gesellschaft. Wenn wir zeigen, warum
wir ein solches Leben führen, können wir damit aufweisen, dass es
nichtkapitalistische Wertehierarchien gibt, die gelebt werden können – am besten
mit der Unterstützung einer ganzen Gesellschaft, die von Künstler*innen nicht
nur unterhalten wird, sondern von ihnen lernen will, was Leben auch noch heißen
kann.
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