english below in green
Bei der Lektüre eines Buches
des unfassbar jungen Philosophen Markus Gabriel (Ich ist nicht Gehirn, Berlin
2015) ist mir eine wichtige inhaltliche Brücke zwischen den beiden Feldern
aufgegangen, mit denen ich mich seit einiger Zeit intensiv beschäftige: dem
Kapitalismus als Lebensform und dem Grundgesetz.
In der Auseinandersetzung mit
Artikel 1 des GG („Die Würde des Menschen ist unantastbar. (...)“) bemerkt
Gabriel, das der Satz auch ganz buchstäblich verstanden werden kann. Man kann
die Menschenwürde nicht antasten, weil sie kein Ding ist. Die Würde erwächst aus bestimmten Bedingungen, die zum
Menschsein dazugehören. Die heute in der Philosophie weitgehend dominierende
Haltung des Materialismus behauptet aber, dass man alle weltlichen Phänomene
auf Dinge oder Dinghaftes zurückführen kann. Dagegen argumentiert Gabriel
vehement und wie ich finde mit gutem Recht.
Dabei zitiert er Kant, der die
Unterscheidung zwischen Preis und Wert bzw. Würde eingeführt hat. Kurz gesagt
hat für Kant alles, was Würde besitzen kann, keinen „Marktpreis“, weil es nicht
als Mittel für einen anderen Zweck verwendet werden kann. Die Würde ist Zweck
an sich. (Kant, Metaphysik der Sitten)
Was im Materialismus Ding
genannt wird, ist im Kapitalismus die Ware.
Wie wir bei Scheler schon gesehen haben (vgl. meinen Vortrag!), ist ein
Grundmerkmal des kapitalistischen Geistes der Warencharakter aller Dinge. Heute
ist die Verwandlung aller Lebensaspekte zur Ware sehr weit fortgeschritten.
Fast alles kann zur Ware degradiert und im kapitalistischen Karussell zu Geld
gemacht werden. Um aber zur Ware zu werden, muss etwas zuerst ein Ding sein. Die
Wissenschaften bzw. der philosophische Materialismus tragen zur Entwertung der
Welt bei und flankieren so die Entzauberung dieser Welt und die Verdinglichung
aller Phänomene, die in ihr auffindbar sind.
Die Menschenwürde aber ist
keine Ware. Implizit erkennt Kant bereits, dass sich bestimmte Werte und die
Menschenwürde gegen eine Vereinnahmung durch die kapitalistische Logik wehren.
Die Würde des Menschen hochzuhalten als unantastbares und unverkäufliches Recht
bedeutet demnach auch, sich vom kapitalistischen Geist zu distanzieren. Oder
umgekehrt: Die Distanzierung vom Geist des Kapitalismus als alle Lebensform
beherrschen wollender Ethos macht uns zu Verteidigern des Artikel 1 des
Grundgesetzes.
Das ist ein quasi
künstlerischer Akt, zumindest wenn man – wie ich – davon ausgeht, dass die
innere Distanzierung vom Geist des Kapitalismus überhaupt erst den Raum für
künstlerisches Agieren eröffnet. Das jedenfalls war ein Ergebnis meiner
Auseinandersetzung mit den Gedanken von Max Scheler (die man hier im Blog unter
anderem in den Vortragsvideos findet).
Reading a book of the very
young german philosopher Markus Gabriel, I noticed a link between two subjects
I am workking on since quite a while: the spirit of capitalism and the german
constitution.
Quoting the art. 1 of the
constitution that in german says „The dignity of men is not to be touched
(=unvaluable)“ Gabriel mentions that this is true in a very basic sense. You
can´t touch dignity because it is not a thing. Dignity emerges out of a set of
conditions that belong to humanity. The today very dominant philosophical idea
of materialism claims that all worldly phenomenons can be reduced to things,
i.e. a material based fundament. Gabriel argues with good reasons against this
view.
He quotes Kant and his
distinction between price (or costs) and value. Kant claims that everything
that has dignity cannot have a price (on a market) because it can´t be used as
a means for another purpose. Dignity is a purpose in itself.
What materialism calls thing is called product in capitalism. In capitalism everything has the quality of
being a product that can be sold and bought. Today the transformation of nearly
all aspects of life is developped very far. Nearly everything can be
transformed into a product and can be involved into the circus of money making.
But what should become a product has to be a thing first. Science helps to make
the world to a thing and to get rid of values.
Dignity is not a product. Kant
implicitly sees here already that certain values and dignity of men try to
resist against the dominance of capitalistic logic. To defend the dignity of
men as a right that can´t be sold means also to keep the distance to
capitalistic thinking. Or: Keeping the distance to the logic of capitalism as
the ethos that dominates our form of life means defending article 1 of the
german constitution.
This is an somewhat artistic action, at least if you think (as I do) that the space for artistic activity opens up only through the search for an inner distance to capitalistic logic. This was one of the results of my work with the ideas of Max Scheler (that you can find here in this blog and on my video lectures (partly in english).
This is an somewhat artistic action, at least if you think (as I do) that the space for artistic activity opens up only through the search for an inner distance to capitalistic logic. This was one of the results of my work with the ideas of Max Scheler (that you can find here in this blog and on my video lectures (partly in english).
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